Rezension: Ingrid Brodnig – Einspruch! Verschwörungsmythen und Fake News kontern – in der Familie, im Freundeskreis und online

Ingrid Brodnig ist eine österreichische Autorin und Kolumnistin, sie gilt seit mehreren Jahren als Expertin für Digitale Medien in Zusammenhang mit Fake News und Verschwörungsideologien. Für ihr zweites Buch „Hass im Netz. Was wir gegen Hetze, Mobbing und Lügen tun können“ wurde sie mit dem Bruno Kreisky Sonderpreis ausgezeichnet. Im hier vorliegenden Buch beschäftigt sie sich mit den Hintergründen von Falschmeldungen und mit welchen Methoden man darauf reagieren kann.

Die gebürtige Grazerin erklärt, warum es oft nicht funktioniert, sein Gegenüber so lange mit Fakten zuzuschütten, bis es die Falschheit seiner Weltsicht verstanden hat. Falschmeldungen sind offensichtlich interessanter als die Realität. Laut Brodnig spielt die Macht von Emotionen eine große Rolle. Emotionalität führt zu einer stärkeren Verbreitung der Inhalte. Viele Falschmeldungen und Verschwörungserzählungen arbeiten mit Feindbildern und Sündenböcken. Sie lösen nicht nur Wut aus, sie haben auch gleich noch die angeblich Schuldigen parat. Im Gegensatz dazu sind Faktenchecks oft spröde, sie müssen viele komplexe Sachverhalte erklären und bieten in der Regel keine Feindbilder. Es besteht die Gefahr, dass Falschmeldungen von ihrer Emotionalität profitieren, während Richtiges vergleichsweise unspektakulär klingt und oft weniger stark verbreitet wird. Verzweifelte Menschen suchen Hilfe und klammern sich dabei an jede Hoffnung. Brodnig führt dies als Grund an, dass sich Menschen in der Not auf falsche Informationen aus unseriösen Quellen stürzen. Heilsversprechen haben eine große emotionale Anziehungskraft, insbesondere auf Menschen, die sich vor Krankheiten fürchten oder die tatsächlich erkrankt sind.

Brodnig kritisiert den Begriff der „Verschwörungstheorie“, da man hierbei nicht von Theorien im wissenschaftlichen Sinn sprechen kann. Eine Theorie ist eine wissenschaftlich nachprüfbare Annahme über die Welt, wenn sich diese als falsch herausstellt, wird sie auch wieder verworfen. Die Verschwörungserzählung zeichnet sich aber eben genau dadurch aus, dass sie sich der Nachprüfbarkeit entzieht. Egal wie viele Gegenbeweise es gibt, der Verschwörungsideologe beharrt auf seiner Meinung.

Laut der Autorin gibt es nicht den einen Weg bei der Aufklärung von Desinformation, sondern unterschiedliche Zugänge. Und womöglich kann es sinnvoll sein, diese verschiedenen Methoden zu nutzen, um verschiedene Zielgruppen anzusprechen. Das Wichtigste sei es, so zu reagieren, dass man nicht noch mehr Widerstände erzeugt. Man sollte die Gesprächsbasis aufrechterhalten, in Kontakt bleiben, damit einem der andere zumindest ein bisschen zuhört. So empfiehlt Brodnig bei ausweglosen Diskussionen auf die Bedürfnisebene zu schauen, weg von der Faktenebene. Als weitere Möglichkeit nennt die Autorin den „Sokratischen Dialog“, mittels Fragen auf einen Erkenntnisgewinn hinzusteuern. Dieses ernst gemeinte, aber höfliche Nachfragen kann bewirken, dass Menschen merken, dass etwas nicht ganz schlüssig ist.

Das Buch ist 2021 erschienen, mitten in der Corona Pandemie, daher verweist Brodnig auf die frühe Unterwanderung der vehement coronaskeptischen Szene durch rechte und rechtsextreme Gruppen.  In einem aktuellen Interview erläutert Brodnig, welche Zusammenhänge es zum derzeit stattfindenden Krieg in der Ukraine gibt. Sie beobachtet ein Muster mit einer logischen Konsequenz: aus Anti-Corona wurde Pro-Putin. Die Autorin verweist auf ähnliche Feindbilder: ein Misstrauen in Mainstreammedien, der Glaube die Elite würde alle belügen, Corona ist eine Erfindung, Krieg ist eine Inszenierung. Geblieben ist eine bewusste Verbreitung von Desinformation und Verschwörungserzählungen, die hauptsächlich über verschwörungsaffine Kanäle, speziell auf Telegram, verbreitet werden.