Rezension: Ahmad Mansour – Generation Allah. Warum wir im Kampf gegen religiösen Extremismus umdenken müssen

Ahmad Mansour wurde in Israel geboren und lebt seit 2004 in Deutschland, wo er als Psychologe und Buchautor tätig ist. Er beschäftigt sich intensiv mit den Themen Radikalisierung, Extremismusprävention, Antisemitismus und Unterdrückung im Namen der Ehre. In seiner Schulzeit wurde er von einem fundamentalistischen Iman angeworben und war bis zu seinem Studium selbst ein Islamist, daher bietet sein Buch Authentizität. Der Autor schildert die Phase seiner Anwerbung, die Bedürfnisse, Interessen und Defizite Jugendlicher mit muslimischem Hintergrund, die sich in der westlichen Gesellschaft nicht zurechtfinden können.

Mansour bezeichnet sich selbst als islamkritischen liberalen Moslem und plädiert für eine innere Reform des Islam. Er vertritt die Meinung, dass viele im Westen lebende Muslime die Meinungsfreiheit ablehnen, vor allem wenn es um Religionskritik geht. Es dürfe keine Toleranz geben, wenn Demokratie oder Menschenrechte nicht akzeptiert werden.

Nachdenklich stimmt die Aussage, dass weniger die nach Syrien ausreisenden Dschihadisten die große Gefahr bedeuten, als vielmehr jene hunderttausende Jugendlichen, die in Europa wohnen, jedoch europäische Werte und den europäischen Lebensstil radikal ablehnen.

Das Buch beinhaltet die These, dass es nur begrenzt gültig sei, dass Erfahrungen von Diskriminierungen und Ausgrenzungen für die Hinwendung Jugendlicher zum Dschihadismus verantwortlich sind. Bei der Radikalisierung von Jugendlichen spielt laut Mansour die Tabuisierung von Sexualität eine Schlüsselrolle. Unterdrückte Sexualität im streng zelebrierten Islam könne zu Frust und so zu Aggression führen – dadurch entstünde ein großes Gewaltpotential.

Wie der Buchtitel bereits verrät, kritisiert der Autor bisherige Versuche, dem Problem zu begegnen. Er übt harte Kritik an den zahlreichen prestigeträchtigen, aber wirkungslosen Projekten der Deradikalisierung. Mansour spricht im Zusammenhang von Deradikalisierungsmaßnahmen von einem Versagen auf ganzer Linie. Er fordert Schluss mit der „Ihr – Wir“ Debatte. Es sind Jugendliche, die zum Großteil eine europäische Staatsbürgerschaft besitzen, also Teil der westlichen Gesellschaft sind. Daher dürften die Probleme nicht als etwas Fremdes angesehen werden. Zugleich betont dieses Werk auch die Notwendigkeit einer professionellen Präventionsarbeit im Kampf gegen Extremismus und zur Stärkung demokratischer Werte und toleranter Geisteshaltungen. Dafür brauche es bessere Rahmenbedingungen, die es derzeit leider nicht gibt. Der Kampf gegen Radikalisierung sei nicht nur Aufgabe der Sicherheitsbehörden. Im Buch wird betont, Radikalisierung sei ein gesamtgesellschaftliches Problem, ebenso müsse man diesem Phänomen begegnen. Die Kooperationspartner im Kampf gegen Islamismus müssten besser ausgewählt werden, zu oft kämen Projekte mit wenig Kompetenz und Erfahrung zum Einsatz.

Auch bei den pädagogischen Ausbildungen bedarf es seiner Meinung nach dringend Änderungen, diese seien realitätsfremd und hätten zuwenig Bezug zur Praxis. Bildungseinrichtungen sind ein wichtiger Schwerpunkt für Prävention. Hier besteht die Chance demokratische und mündige Menschen heranwachsen zu lassen. Es brauche in den Ausbildungen dringend Aufklärung, Information und nachhaltige Konzepte. Ausbildungen und Lehrpläne müssten auf die veränderte Situation reagieren. Pädagoginnen und Pädagogen müssten Techniken lernen, um provokante Aussagen auszuhalten, um dadurch notwendige Auseinandersetzungen mit den Schülerinnen und Schülern zu ermöglichen.

Mansour hält die verstärkte Religiosität unter muslimischen Jugendlichen für ein soziokulturelles Phänomen, das teilweise mit einer Jugendkultur zu vergleichen sei. Mit dem Begriff „Generation Allah“ spricht er von einer aktuellen jugendlichen Tendenz, die Identität aus der Religion zu schöpfen. Hetzer nutzen diesen Wertewandel, in dem Religion zu einem identitätsstiftenden Faktor geworden ist. Salafisten sprächen die Sprache der Jugendlichen, sie machen „perfekte“ Jugendarbeit, ein Großteil der Anwerbungen findet in den Sozialen Netzwerken statt. Es ist ein Lifestyle mit einer mächtigen Symbolsprache.

Das bereits 2015 veröffentlichte Buch bietet Antworten und Lösungen, die aktuell, etwa im Zuge der Aufarbeitung der verschiedenen Terroranschläge in Mitteleuropa, von Bedeutung sind.