Rezension: Matthias Pöhlmann – Rechte Esoterik. Wenn sich alternatives Denken und Extremismus gefährlich vermischen

Matthias Pöhlmann lebt in Bayern, wo er viele Jahre lang als Beauftragter für Sekten- und Weltanschauungsfragen tätig war. Aktuell ist der erfahrene Theologe und Publizist als Lehrbeauftragter an der Uni München beschäftigt. Seine jahrelangen Beobachtungen und Erkenntnisse fließen in das vorliegende Buch ein, welches 2021 im Herder Verlag erschienen ist.

In seinem Buch zeigt Pöhlmann auf, dass sich unter dem Deckmantel der Esoterik gut extremistisches Gedankengut verbreiten lässt. Esoterische Weltdeutungen würden zu radikalen Einstellungen neigen, seit Mitte der 1990er würden in der Esoterik Szene zunehmend Bücher auftauchen, die Verschwörungstheorien vertreten. Als Feindbild werden dabei hauptsächlich Juden benannt. Dies geschieht teilweise offen aber auch durch Umschreibungen bewusst verdeckt, um sich nicht strafbar zu machen.

Nach den Beobachtungen des Autors ist Verschwörungsglaube geprägt von einem tiefen Misstrauen gegenüber Wissenschaft, Politik, Medien und Religion. An diese Ideologie anknüpfend bezeichnet er die Corona-Proteste als Hotspots für verschiedene Verschwörungsmythen. Pöhlmann befindet, dass sich die ursprüngliche Skepsis gegen staatliche Pandemiemaßnahmen mehr und mehr zu einer grundlegend demokratiefeindlichen und sicherheitsgefährdenden Haltung entwickelt hat. Laut ihm sind während der Corona Pandemie die Vernetzungen zwischen antidemokratischen Strömungen und einschlägigen Akteur:innen aus dem Extremismusumfeld besonders sichtbar geworden.

Pöhlmann nennt als problematische Kernpunkte in der Esoterik: Antisemitismus, Rassismus, Intoleranz, Verschwörungstheorien und Sozialdarwinismus. Laut dem Autor sind besonders Theosophie und Anthroposophie immer wieder in den Verdacht geraten, den Boden für rassistische und antisemitische Gedanken vorbereitet zu haben. Die esoterische Anthroposophie Rudolf Steiners und ihr Praxisfeld, die Waldorfpädagogik, gerieten während der Pandemie in die Kritik. Pöhlmann bestätigt dabei Abgrenzungsprobleme gegenüber verschwörungsgläubigen Haltungen. Heute gäbe es nach seinen Beobachtungen Allianzen zwischen Rechtsextremen, Reichsbürgern und Waldorfschulen.

Der Autor spricht von einem sogenannten zweiten Antisemitismus, mit dem wir es aktuell zu tun haben. Dieser besteht seinen Ausführungen nach darin, dass nicht mehr pauschal „die Juden“ beschimpft werden. Er äußert sich vielmehr in indirekten, verschlüsselten Versionen, in Anspielungen und Codes. Diese neue Art des Antisemitismus behauptet von sich kein Antisemitismus zu sein, was durch verschiedene historische und anthropologische Umdeutungen zu belegen versucht wird. Pöhlmann nennt dafür auch Beispiele aus Musik und Literatur. So greift etwa der deutsche Sänger Xavier Naidoo in mehreren Songs auf typische antisemitische Codes und QAnon Elemente zurück. Der seit Jahrzehnten einschlägig bekannte deutsche Schriftsteller Jan Udo Holey verwendet in seinen Büchern unter dem Pseudonym Jan van Helsing typische codierte Formulierungen, die als rechtsextrem und antisemitisch zu deuten sind.

Auch Alternativmedizin ist laut Pöhlmann eine wichtige Schnittstelle zu rechtsextremer Ideologie, was Pöhlmann anhand der Germanischen Neuen Medizin nach Hamer deutlich beschreibt: neben der medizinischen Unwirksamkeit wird bei dieser gefährlichen Kurpfuscherei öffentlich der Holocaust geleugnet und rassistische und antijüdische Propaganda verbreitet.

Als einen ersten Schritt einer Gegenmaßnahme empfiehlt Pöhlmann Person- und Sachkritik voneinander zu trennen, Verschwörungsgläubige nicht abzuwerten oder zu verunglimpfen. Der Einsatz für eine friedliche Welt würde es aber auch erfordern, Grenzen der Toleranz zu benennen.

Ein Fazit dieses wichtigen Buches: Verschwörungsmythen stellen für die Demokratie eine große Gefahr dar. Der Verschwörungsglaube polarisiert und ist empfänglich für extremistisches und antidemokratisches Gedankengut.