Rezension: Katharina Nocun/ Pia Lamberty: Gefährlicher Glaube – die radikale Gedankenwelt der Esoterik

Das mittlerweile bewährte Autorinnen-Duo Lamberty und Nocun hat soeben ein weiteres Buch zum großen Themenkomplex Verschwörungserzählungen veröffentlicht.  Diesmal beleuchten sie die weite Welt der Esoterik. Ebendiese spielt in zahlreiche problematische Gruppierungen massiv hinein, die aktuell von Bedeutung sind.

Die Sozialpsychologin Lamberty und die Publizistin Nocun haben jahrelang zu der Thematik geforscht und intensiv in der Szene recherchiert. Sie kommen zu der Erkenntnis, dass esoterische Weltanschauungen ein Gegenentwurf einer demokratischen liberalen Gesellschaft sind. Innerhalb dieses Weltbilds würden marginalisierte Gruppen systematisch abgewertet und vermeintlich Schwächere als schadhaft für die Gesellschaft gelten.

Die Autorinnen führen aus, dass jeder Mensch eine gewisse Neigung zu diesen Bewegungen hat. Esoterik spricht psychologische Grundbedürfnisse an, die wir alle in uns tragen. Jeder Mensch ist in unterschiedlichem Ausmaß anfällig für Trugschlüsse und Denkfehler. So tritt niemand bewusst einer sogenannten Sekte bei, sondern man schließt sich einer vermeintlich guten Sache an.

Auch wenn Esoterik nicht pauschal als extremistisch einzustufen sei, so finden sich dabei laut Lamberty und Nocun doch viele ideologische Anknüpfungspunkte für menschenverachtende Ideologien. Heute aktuelle Bewegungen, wie etwa QAnon, knüpfen an Jahrtausende alte Narrative an, die antisemitisch besetzt sind. Die Autorinnen erklären ausführlich welche Wirkungsmechanismen dazu führen, dass Menschen sich diesen destruktiven Kreisen anschließen.

Lamberty und Nocun vertreten eine kritische Sicht bezüglich der von Rudolf Steiner gegründeten Anthroposophie. Dessen spirituelle Weltanschauung wurde wesentlich durch die umstrittene russische Okkultistin Helena Blavatskys beeinflusst, aus deren Theosophie Steiner vor gut 100 Jahren seine Thesen weiterentwickelte. Nach den Autorinnen sei die Weltanschauung von Steiner rassistisch und antisemitisch geprägt. Auch wenn man die Ansichten von Steiner im Kontext des Zeitgeists sehen muss, sollte man wissen, welchen Hintergrund die von ihm entwickelte Waldorfpädagogik hat.

Das Buch nennt exemplarisch einige Beispiele, die untermauern, was genau an Esoterik problematisch sein kann. So wird etwa ausführlich beschrieben, was hinter der Biodynamischen Landwirtschaft steckt, die auf Steiner zurückzuführen ist. Ebenso wird der Hintergrund der völkischen Anastasia Bewegung erklärt.

Ein weiteres Kapitel widmet sich der Germanischen Neuen Medizin, in der sich verzweifelte Krebspatienten eine alternative „Heilmethode“ erhoffen. Zu letztgenannter gibt es einen Bezug zur Steiermark, da deren mittlerweile verstorbene Gründer über viele Jahre eine Privatklinik in der Nähe von Hartberg führte. Im Buch wird beschrieben, dass durch diese Behandlungen über 500 Patienten zu Tode kamen. Die Germanische Neue Medizin weist laut den Autorinnen einen deutlich antisemitischen Hintergrund auf, sie ist nicht nur in rechtsextremen, sondern auch in linksalternativen Szenen verbreitet.

Als weiteres Beispiel wird im Buch die „Barcode Verschwörung“ erläutert, die vor einigen Jahren besonders in Bioläden Einzug gehalten hat. Es gab die Annahme, dass Strichcodes Energien bündeln und die Qualität von Nahrungsmitteln beeinflussen würde. Daher haben bestimmte Firmen jahrelang den Barcode ihrer Produkte mittels eines aufgedruckten Striches „entstört“.

Auch ein Zusammenhang zwischen Impfskepsis und Esoterik ist nicht neu. Die Autorinnen betonen, dass eine Impfablehnung in gewissen Kreisen immer schon antisemitisch aufgeladen war. Hinter einer gesetzlichen Impfpflicht wurde etwa bereits zur Zeit des Nationalsozialismus eine jüdische Verschwörung geortet.

Fazit: esoterische Weltbilder können vor allem bei den Themen Gesundheit und Ernährung zu problematischen Haltungen führen.