Die Politikwissenschafterin Nocun und die Sozialpsychologin Lamberty haben einen
weiteren Ratgeber mit praktischen Tipps und fundierten Hintergrundinformationen
veröffentlicht. Bereits seit mehreren Jahren forschen die deutschen Expertinnen
intensiv zu den Themen Verschwörungstheorien und Esoterik. Die Autorinnen
betonen, dass der Glaube an eine große Verschwörung oftmals zentrale
psychologische Bedürfnisse, wie Kontrolle, Gemeinschaft, Einzigartigkeit, erfüllt. Sie
sind der Meinung, nur wer durchschaut, an welche psychologischen
Grundbedürfnisse Verschwörungserzählungen anknüpfen, kann auch effektive
Gegenstrategien entwickeln.
Zwei wichtige Erkenntnisse werden als Basis/ Grundbedingung genannt, die bereits
deutlich machen, warum dieses Problem so komplex ist und Gegenmaßnahmen sehr
mühsam sind: Es gibt kein Patentrezept gegen Verschwörungsglauben und es gibt
keine Garantie für erfolgreiche Interventionen. Eine weitere zentrale Aussage des
Buches ist, dass Verschwörungserzählungen stark auf der emotionalen Eben wirken.
Sie sind inhaltlich kompliziert, aber auf der emotionalen Ebene sehr einfach. Das übt
nach Erkenntnis der Autorinnen eine große Anziehungskraft aus.
Im Buch wird umfassend erläutert, dass es bei Recherchen schwierig ist, zu
verlässlichen Informationen zu kommen. Bei der Suche gibt es meistens zahlreiche
Quellen, doch welche ist seriös? Ein gefestigtes verschwörungsideologisches
Weltbild geht meist mit einer umfassenden Ablehnung seriöser Medien und
Wissenschaft einher. Immer öfter wird bewusst Desinformation verbreitet, es benötigt
Hintergrundwissen und Reflexionsbereitschaft, um diese zu enttarnen. So finden sich
nach Lamberty und Nocun unter den Topergebnissen bei Suchmaschinen oft
Falschmeldungen und Verschwörungserzählungen. Die Reihenfolge der
präsentierten Suchergebnisse gibt nicht Auskunft über deren Wahrheitsgehalt, sie
wird nach einer Vielzahl unterschiedlicher Parameter festgelegt. Hier können diverse
Fakten-Checker eine große Hilfe zur Klärung bieten. Die Autorinnen verweisen auf
Initiativen wie „Correctiv“ und „Mimikama“, die sich auf die Prüfung von
Falschmeldungen spezialisiert haben. Faktenchecks können Zweifel säen, das ist ein
wichtiger erster Schritt. Aber selbst das hilft nicht immer, es gibt Grenzen, nicht jeder
lässt sich überzeugen. Lamberty und Nocun erklären, dass es online eher darum
geht, die stillen Mitleserinnen und Mitleser zu erreichen. Mit überzeugten Extremisten
und Extremistinnen zu diskutieren würde wenig Sinn machen. Überhaupt ginge es
darum, seine eigenen Grenzen zu achten. Man muss nicht jede Diskussion
gewinnen. Es ginge eher darum, immer wieder gesunde Impulse zu geben.
Lamberty und Nocun beschreiben den antisemitischen Hintergrund, der nach ihren
Ausführungen oft hinter einer Verschwörungserzählung steckt. Dieser ist demzufolge
seit tausenden Jahren kulturell tief verankert. Der Mythos der angeblichen jüdischen
Weltverschwörung wird weitergegeben und an aktuelle Ereignisse angepasst. So
etwa der Glaube, dass Juden das Blut von Christenkindern trinken würden, um ewige
Jugend zu erhalten. Dieser antisemitische Mythos taucht laut den Autorinnen aktuell
etwa wieder bei der QAnon Bewegung auf.
Das Buch bietet auch konkrete Tipps im Umgang mit Verschwörungsgläubigen. So
kann unter anderem die Suche nach den Motiven hinter dem Glauben ein möglicher
Ansatz sein. Eine weitere Möglichkeit sei es im Verlauf von Diskussionen
Gemeinsamkeiten zu suchen und sich immer wieder drauf zu beziehen.
Die Autorinnen vergleichen die Irrwege von Verschwörungsgläubigen mit einem
Kaninchenbau und kommen in ihren Ausführungen zur Erkenntnis, der Weg hinaus
würde oft genauso lang wie der Weg hinein dauern. Wichtig sei es, möglichst
frühzeitig zu intervenieren.
Ein Wunsch/ Anspruch der Autorinnen: Als Gesellschaft müssen wir lernen, uns Hass
und Hetze entschlossen entgegenzustellen. Das Buch schließt mit einer Forderung
an Politik und Verantwortliche: Wer über die Gefahren von Verschwörungsideologien
aufgeklärt wurde, hat bessere Chancen, sich und andere davor zu schützen.
Lamberty und Nocun plädieren daher für mehr Workshops und Initiativen zur
Aufklärung und Stärkung von Medienkompetenz und Zivilcourage.