Rezension: Petra Ramsauer: Die Dschihad Generation – Wie der apokalyptische Kult des Islamischen Staats Europa bedroht

Petra Ramsauer ist eine österreichische Politikwissenschaftlerin und Journalistin, die seit 25 Jahren im Bereich der Kriegs- und Krisenberichterstattung im Nahen Osten tätig ist. In ihrem bereits 2015 erschienenen Buch bietet sie ein umfassendes Basis- und Hintergrundwissen zum Thema Islamischer Staat. Für die Recherche hat  sie mit Sympathisant:innen, Augenzeug:innen und Opfern aus Syrien gesprochen. 

Die Autorin beschreibt ausführlich, warum es in den letzten Jahren tausende Jugendliche aus Europa in den „Islamischen Staat“ gezogen hat. Ihre Ausführungen erklären, wie der IS aus seiner Mutterorganisation Al Kaida  hervorgegangen ist und wie er von inhaftierten Jugendlichen in Deutschland und Österreich mitentwickelt wurde.

Das Buch zeigt detailliert Rekrutierungsprozesse auf und erklärt, mit welchen psychologischen Methoden Anwerber arbeiten. Ramsauer betont, dass marginalisierte Jugendliche besonders anfällig für Radikalisierung und daher bevorzugte Zielgruppe für Rekrutierer sind. Hauptsächlich im öffentlichen Raum und in Parks trifft man demnach auf die bevorzugte Zielgruppe: sinnsuchende Jugendliche, die dort ohne jegliche Perspektive und Begleitung sehr viel Tagesfreizeit verbringen. Laut Ramsauer sind es Jugendliche, die verzweifelt auf der Suche nach familiärem Anschluss und Geborgenheit sind. Die Zugehörigkeit zum IS bietet vermeintlich Klarheit in einer zunehmend verwirrenden Welt.

Den Ausführungen der Autorin zufolge sind Ausgrenzungs- und Entfremdungserfahrungen ein entscheidende Faktoren bei einer Radikalisierung. Für viele Jugendliche ist der moderne Westen mit seiner Freiheit und Diversität zu komplex. Die IS-Propaganda verbreitet in Europa die Annahme, dass die Welt den Muslimen den Krieg erklärt hat und sie im Stich lässt. Dieses einfache Gut/Böse-Denken gibt Jugendlichen vermeintlich Halt. In diesem Zusammenhang spricht die Autorin von einer Dschihadgeneration, die zu einem Magnet für revoltierende Jugendliche geworden ist. 

Der IS ist mittlerweile ein terroristisches Massenphänomen, der einen Gegenentwurf zu einem westlichen Lebensstil darstellt. Im Buch wird der IS als eine etablierte Marke beschrieben, die durch perfekte Mediengestaltung und gezielt eingesetzte Narrative einen hohen Wiedererkennungswert hat. Soziale Medien fungieren dabei als zentrales Steuerungselement, diese sind gleichzeitig perfekte Propagandamaschine und Netzwerk.

Ramsauer spricht auch von Gefängnissen als Risikozonen weiterer Radikalisierung. Die meisten IS-Gewalttäter waren zuvor in Haft und verhalten sich dort angepasst und unauffällig. Eine Haftstrafe wird von den betreffenden Jugendlichen als Auszeichnung gesehen. Gefängnis alleine ist demnach keine ausreichende Maßnahme zur Lösung dieser Probleme. Ramsauer plädiert anstatt dessen für verschiedene soziale Maßnahmen in der Deradikalisierungsarbeit, da diese ihrer Meinung nach nachhaltiger und langfristiger wären. So spricht sie sich für verschiedene Resozialisierungsmaßnahmen aus und betont die Notwendigkeit Entfremdung und Ausgrenzung entgegenzuwirken.

Die Autorin schließt mit dem Fazit, dass es viel mehr an Angeboten und Unterstützung für die betreffenden Zielgruppen brauchen würde. Auffällig: das Buch ist bereits 10 Jahre alt, diese Erkenntnisse und Empfehlungen sind bereits seit Langem da. Es scheitert aber leider immer noch an einer entsprechenden Umsetzung.